Freude, Wut, Trauer, Überraschung, Stolz – Emotionen sind intensiv, stark und kaum zurückzuhalten. Oder haben Sie schon einmal einen Hochzeitsantrag miterlebt, bei dem die gefragte Person völlig emotionslos geblieben ist? Zugegeben, ein Extrembeispiel. Aber genau diese spontanen Reaktionen, die unter die Haut gehen, machen sich Unternehmen in der Werbung zu Nutzen. Zusammengefasst wird das unter dem Begriff „Emotional Marketing“, welches jeder Kampagne erst den entscheidenden Pep verleiht.

„Entscheidend“ ist in diesem Zusammenhang tatsächlich im wahrsten Wortsinn zu verstehen, denn bei Käufen und Aufträgen sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich fungieren emotionale Eindrücke in den meisten Fällen als das Zünglein an der Waage. Gerade bei nahezu austauschbaren Angeboten in umkämpften Märkten, fällt die Entscheidung zugunsten des Anbieters, an den man sich (aus der Werbung) erinnert und mit dem man sich „am wohlsten fühlt“, bei dem man „ein gutes Gefühl hat“.

Inhaltsverzeichnis

Wie funktioniert Emotional Marketing?

Körperliche-Reaktion_Emotional-MarketingEmotionen sind psychophysiologische Reaktionen, die von einem Ereignis oder einer Situation ausgelöst werden. Sie gehen mit einer deutlich wahrnehmbaren körperlichen Veränderung, zum Beispiel von Muskulatur, Herzschlag oder Atmung einher. Im eigentlichen Sinne sind Emotionen deshalb nicht gleichzusetzen mit Gefühlen. Letztere treten weniger im Affekt auf, sondern beziehen die unterschiedlichsten psychischen Erfahren mit ein.

  • Emotionen: Interesse, Ekel, Liebe, Neid, Enttäuschung, Freude, Stolz usw.
  • Gefühle: Eifersucht, Unsicherheit, Begeisterung, Melancholie usw.

Häufig werden die Begriffe jedoch gleichgesetzt. Und auch im Marketing wird nicht trennscharf zwischen Emotionen und Gefühlen unterschieden.

Emotionen beeinflussen die Kaufentscheidung

Kaufentscheidungen werden mit beiden Gehirnhälften getroffen. Dass die emotionale Komponente dabei absolut keine untergeordnete Rolle spielt, hat der US-amerikanische Neurowissenschaftler Antonio Damasio für seine Publikation Descartes‘ Error (Rezension auf Psychology Today) untersucht. Dafür führte er eine Studie mit Menschen, deren Verbindung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte zerstört war, durch.

Die Studienteilnehmer konnten durchwegs die vorliegenden Informationen rational verarbeiten, waren jedoch nicht in der Lage, sich zwischen verschiedenen Alternativen zu entscheiden. Um eine Wahl zu treffen, muss man fähig sein herauszufinden, wie man über die einzelnen Optionen denkt beziehungsweise wie man sich dahingehend fühlt. Die Aktivität der entsprechenden Hirnregionen kann mit funktioneller Magnetresonanztomographie gemessen werden.

Welche-Emotionen_Emotional-Marketing

Im Hinblick auf die Entscheidungsfindung umfasst das Emotional Marketing zwei Aspekte: Einmal geht es darum, dass der Kunde rational feststellt, dass er ein bestimmtes Produkt braucht. Die Recherche bezieht sich zunächst auf Informationen. Bei der endgültigen Kaufentscheidung setzen sich jedoch (oft unbewusst) Gefühle und Emotionen durch. Im B2C-Bereich kann es auch sein, dass der Verbraucher im Prinzip gar nichts benötigt, jedoch durch geschicktes Emotional Marketing dennoch einen Kaufwunsch entwickelt.

In weiteren Studien, die Psychology Today nennt, wurde nachgewiesen, dass

  • bei der Bewertung von Marken vor allem Gefühle in Form von persönlichen Erfahrungen zum Tragen kommen und nicht die produktbezogenen Fakten.
  • die emotionale Reaktion des Konsumenten auf eine Anzeige einen weitaus größeren Einfluss auf seine Kaufabsicht hat als der Inhalt der Anzeige.
  • die Sympathie für eine bestimmte Marke der beste Gradmesser ist, inwieweit Werbung den Umsatz steigern wird.
  • positive Emotionen gegenüber einer Marke größeren Einfluss auf die Kundenbindung haben als Vertrauen und Beurteilungen anderer.

Je emotionaler die Bindung zu einer Marke ist, desto treuer wird der jeweilige Kunde auch zu ihr stehen. Es lohnt sich also definitiv, in Emotional Marketing zu investieren.

Emotional Marketing in der Praxis

Verknüpfung_Emotional-MarketingSinn und Zweck des Emotional Marketing ist die Verknüpfung positiver Gefühle mit der Markenbotschaft. Das Produkt wird deshalb nicht über seine technischen Eigenschaften erklärt, sondern über den Kundennutzen, der wiederum bei den Anwendern entsprechende (hoffentlich angenehme) Gefühle hervorruft. Genau diese Emotionen müssen für die potenziellen Kunden sofort zu spüren sein.

Aus der klassischen Werbung, zum Beispiel im Fernsehen, kennen wir dies längst zur Genüge: von in die Kamera strahlenden Saubermännern, jubelnden Kindern und zufrieden seufzenden Hausfrauen. Was in den 1970er Jahren recht plakativ zum Einsatz kam, funktioniert heute oft etwas anders. Die gewünschten Gefühle werden geweckt, jedoch subtiler als früher.

Zielgruppe bestimmen

Wie in allen anderen Marketingbereichen auch, sollte zunächst die Zielgruppe eingegrenzt werden. Je besser man diese kennt, desto passgenauer lässt sich das Emotional Marketing abstimmen. Finden Sie heraus, wie Ihre Ziegruppe „tickt“, welche Bedürfnisse, welche Wünsche, welche Ängste sie hat. Wichtig sind auch die Altersstruktur und die Interessen, um funktionierende Anknüpfungspunkte zu finden.Zielgruppe_Emotional-Marketing

Die passenden Emotionen finden

Glück, Freude, Begeisterung – das sind die Gefühle, die Werbetreibende bei der Klientel auslösen wollen. Es ist jedoch nicht damit getan, diese positiven Emotionen einfach darzustellen. Wie wir unter anderem von Antonio Damasios Studie wissen, reifen Kaufentscheidungen durch ein perfektes Zusammenspiel der unterschiedlichen Gehirnareale.

Das bedeutet, dass auch die rationalen Komponenten stimmen müssen, zuallererst die Qualität des Produkts. Dann geht es darum, Emotionen zu finden, die zum angebotenen Produkt und der Marke passen. Ein sich vor lauter Heiterkeit schüttelndes Ehepaar wirkt beispielsweise nicht sonderlich glaubwürdig, geht es um die nächste Steuererklärung. Bietet ein Dienstleister hier Hilfe an, herrscht eher ein Gefühl der Erleichterung vor.

Verschiedene-Emotionen_Emotional-Marketing

Je nach Angebot können auch negative Emotionen mit dem Produkt oder der Dienstleistung bei der Zielgruppe verknüpft sein. Wirbt zum Beispiel ein Sicherheitsdienst für einen besonders effizienten Einbruchschutz, stehen auch Emotionen wie Angst und Unwohlsein im Raum. Die Kunst ist es, zusätzlich ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, das die negativen Emotionen überwiegt.

Die Aufgabe des Marketings ist es also, eine glaubwürdige Situation und passende Emotionen zu finden, die dabei helfen das Angebot zu beschreiben. Die Kunden sollen sich in der Situation mit ihren Wünschen und Bedürfnissen wiederfinden. Bei problembeseitigenden Produkten, muss am Ende eine Lösung mit einer positiven Emotion stehen, die dauerhaft mit der Marke verbunden bleibt.

Farbpsychologie im Emotional Marketing

Bestimmte Farben lösen bestimmte Assoziationen und damit auch bestimmte Gefühle aus. Obwohl das Empfinden eines jeden Kunden sehr individuell ist, gibt es gewisse Eigenschaften der Farben, die relativ einheitlich auf die Psyche wirken sollen. Während Blau unter anderem mit Ruhe und Vernunft assoziiert wird, steht Rot für Leidenschaft und Gefahr (mehr dazu unter Die psychologische Wirkung von Farben).

Erkenntisse der Farbpsychologie lassen sich hervorragend im Emotional Marketing einsetzen und sollten zum Beispiel bei der Wahl eines Bildhintergrunds oder der Farbe für das Logo berücksichtigt werden. Für internationale Kampagnen ist es wichtig zu wissen, dass Farben in unterschiedlichen Kulturkreisen eventuell auch andere Bedeutungen zugewiesen werden. Und dann gibt es natürlich auch immer persönliche Abneigungen gegen bestimmte Farben.Farbwirkung_Emotional-Marketing

Bilder sprechen lassen

Bilder nimmt unser Gehirn wesentlich schneller auf als geschriebene oder gesprochene Worte. Und nicht nur das: Sie werden auch viel besser gespeichert und mit den bleibenden Informationen verknüpft. Sind die ersten Sekunden entscheidend, kann auf ein aufmerksamkeitsstarkes Bild nicht verzichtet werden – genauso wenig wie für eine nachhaltige Wirkung der Marketing-Botschaft.

Die Bilder müssen darüber hinaus die gewünschten Emotionen bei den Verbrauchern wecken und sollten möglichst authentisch sein. Das heißt, am besten eignen sich eigene Fotos anstatt Bilder aus Bilddatenbanken, die womöglich auch bei den Mitbewerbern zu finden sind.Bildauswahl_Emotional-Marketing

Anknüpfungspunkte suchen

Emotional Marketing funktioniert dann besonders gut, wenn man an bereits Bekanntes anknüpft. Infrage kommen positive Erinnerungen. Oft appelliert die Werbung an eine glückliche Kindheit, die sie in Anzeigen und Spots kurz wiederaufleben lässt. Oder an die erste große Liebe, die erste Anschaffung mit selbstverdientem Geld etc. Die geweckte Nostalgie soll mithilfe der damit verknüpften Marke ihre Erfüllung finden. In der Realität klappt dies beim Käufer zwar nicht immer, wohl entsteht bei diesem aber das Gefühl, dass es so sein könnte – und das genügt bereits.

Kindheitserlebnis_Emotional-Marketing

Eine andere Möglichkeit im Emotional Branding ist die Nutzung von Großereignissen, Bewegungen und Megatrends. Das kann eine Fußball-Weltmeisterschaft sein oder die Olympischen Spiele, eventuell auch ein Film, der Millionen in die Kinos zieht – eben alles, was bei uns Emotionen weckt. Spätestens seit den „Fridays for Future“-Demonstrationen reagieren viele Menschen auch sensibel auf Klima- und Umweltschutzthemen, gerade, wenn sie noch einen regionalen Bezug haben.

Auch hier gilt: Es muss zur Marke und der Botschaft passen. Wenn es allzu offensichtlich ist, dass von einem bestimmten Trend unter allen Umständen profitiert werden soll, ist der nächste Shitstrom meist nicht weit.

Geschichten erzählen

Mit Storytelling lassen sich die langweiligsten technischen Hintergründe in spannende Geschichten verpacken. Bei jedem Kunden springt das eigene Kopfkino an, es entstehen Bilder im Unterbewusstsein, die für ein emotionales Marketing genützt werden können.Storytelling_Emotional-Marketing

Emotionale Konditionierung

Dieser Begriff aus der Verhaltensforschung fällt oft im Zusammenhang mit emotionalem Marketing. Er beschreibt den Vorgang des Verknüpfens zweier verschiedener Reize und die darauf folgenden Auswirkungen. Das heißt, eine Marke (neutraler Reiz) wird immer wieder in Kombination mit einer bestimmten Emotion (emotionaler Reiz) dargestellt. Nach erfolgreicher Konditionierung wird der Konsument die vormal neutrale Marke immer automatisch mit eben jener Emotion in Verbindung bringen.

McDonalds_Emotional-Marketing

Die Verknüpfung der Marke mit der gewünschten Emotion kann, wie bereits erwähnt, durch entsprechende Bilder hervorgerufen werden. Eine weitere Möglichkeit sind direkte wörtliche Aussagen. Bestes Beispiel: McDonalds mit seinem 2003 ins Leben gerufenen Claim „Ich liebe es!“ Bereits seit den 80er Jahren verfolgt McDonalds mit seiner Kommunikationsstrategie das Ziel, zu vermitteln, dass Kunden gerne zu McDonalds gehen. Der Besuch der Fastfood-Kette bedeutet gemeinsam eine gute Zeit zu haben (vormaliger Claim: „Every time a good time“). Mittels Werbung und Claim werden positive Emotionen geweckt, die dann mit dem Besuch – und schließlich auch mit der Marke McDonalds – verknüpft werden.

 

QuellenPsychology Today

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